20 Jahre SRA, 20 Jahre österreichischer HipHop - TEIL 2
Texta
Brotlose Kunst
Die Antwort
Engelstaub
Rückgrat
Untergrund Poeten
Markante Handlungen
MAdoppelT
MultiTasking Sisters
Brenk (Sinatra)
Def Ill
Monobrother
Mieze Medusa & Tenderboy
Yasmo
Mieze Medusa & Tenderboy - Antarktis (2006)
MTS - Multitask (2009)
Yasmo - Keep It Realistisch (2011)
Frederik Dörfler
Tonträger Records (Teil 1 verpasst?!)
1998 gründeten die Mitglieder Textas ihr eigenes Label, um der befreundeten Crew Waiszbrohd zu ihrer ersten Veröffentlichung „Parkbankflows“ zu verhelfen. Damit legten sie den Grundstein für die Entstehung einer Reihe der wichtigsten Gruppen und Alben alpenländischen HipHops. – Um hier nur einige wichtige Namen und Alben der ersten Hälfte der 00er Jahre zu nennen: Brotlose Kunst - „Sklaven der Zeit“, Die Antwort - „Tiefstapler“, Kayo & Phekt - „K.O. Drops“, Rückgrat - „Konfrontation“ oder Engelstaub - „Im Jahr des Drachen“. Neben der Arbeit am Label schafften es Texta jedoch auch, ihre eigene Gruppe langsam aber sicher als Flaggschiff österreichischer HipHop-Musik zu etablieren. Songs wie „Walkmania“, „Sprachbarrieren“, „Wer?“ oder „So oder so“ gehören heute zum Standardrepertoire heimischer HipHop-Musik.
Texta gaben außerdem den Anstoß für den Siegeszug von Rap im eigenen Dialekt. Der sogenannte Mundartrap wurde durch gemeinsame Projekte der Mitglieder von Tonträger Records wie der Supergroup Markante Handlungen (bestehend aus den Gruppen Rückgrat, Die Antwort und Kayo, Album „Vollendete Tatsachen“ 2005), Die Unsichtbaren (Album „Schwarze Erde“ 2006) und TTR-Allstars (Album „Vü z’vü“ 2006) endgültig als wichtiges Element österreichischer HipHop-Musik verankert.
Slangsta vs. Gangsta
In den 1990er Jahren verzichteten heimische HipHop-Formationen (mit Ausnahme der Untergrund Poeten) in ihren Texten noch großteils auf Schimpfwörter und „explizite Ausdrücke“. Mit Beginn des neuen Jahrtausends bildeten sich aber auch in Österreich Gruppen, die sich eines aggressiveren und härteren Tonfalls sowie Sprachgebrauchs bedienen.
Diese können entweder in das Subgenre des sogenannten Gangsta- bzw. Straßenrap gesteckt oder zum Slangstarap-Movement gezählt werden.
Die Vertreter des Straßenrap-Genres besitzen zum Großteil Migrationshintergrund und tragen ihre Texte meist in schriftdeutsch vor. Das machen sie vermutlich, um auch vom deutschen Markt wahrgenommen zu werden und damit Chancen auf eine größere kommerzielle Ausbeute zu haben. Thematisch handeln ihre Lieder oftmals von der eigenen Überlegenheit gegenüber anderen Rappern und es wird mit Klischees wie dem Dealen mit Drogen, materiellem Reichtum oder dem „harten Leben auf der Straße“ gespielt. Bekannte Vertreter dieser Stilrichtung sind etwa Phat Frank und seine Gruppe EMC, Sua Kaan, Chakuza oder Nazar. Die zwei letzteren feierten vor allem auch im deutschen Nachbarland große Erfolge. Chakuza wurde gemeinsam mit seinem Kollegen DJ Stickle vom wohl bekanntesten Deutschen Rapper Bushido unter Vertrag genommen. Er lebte daher von 2006 bis 2010 in Berlin.
In dieser Zeit veröffentlichte er gleich fünf Alben, von denen es drei („City Cobra“ 2007, „Unter der Sonne“ 2008 und „Monster in mir“ 2010) bis in die Top Ten der deutschen Albumcharts schafften. Nazar erreichte dies mit seinen letzten beiden Alben („Narkose“ 2012 und „Fakker Lifestyle“ 2013) ebenfalls. Er gewann darüber hinaus 2013 den österreichischen Amadeus Award in der Kategorie „HipHop/R’n’B“.
Den Gangsta-Rappern stehen die Slangstarapper gegenüber. Sie bedienen sich zwar einer ähnlich aggressiven Attitüde und Ausdrucksweise, tragen ihre Texte aber ausschließlich in Mundart vor. Außerdem richten sich ihre Texte oftmals gegen die Vertreter des Gangsta-Rap Genres, denen sie ihre Glaubwürdigkeit, ihre „street credibility“ absprechen.
Die Entstehung der Slangstarap-Bewegung ist vor allem dem Salzburger Label Twomorrow und dessen Betreiber und Rapper MOZ zu verdanken. MOZ ging bereits mit seinem ersten Album „Psywalker“ seinen sehr eigenen Weg, indem er Psytrance-Anleihen mit aggressiven Mundartraps verband. Er schaffte es außerdem, quer durch die österreichische HipHop-Szene Rapper, Produzenten und DJs für zwei Alben zu gewinnen, die dem Slangstarap-Movement gewidmet waren. Auf „Slangsta Wödweid“ (2008) und „Slangsta Paradise“(2009) vereinte er unter anderem Jack Untawega, BumBum Kunst, Kayo, A.Geh Wirklich?, Digga Mindz, Dame oder auch Laima von Texta unter dem Slangstarap-Banner.
Ana geht no (Voifett)
Die wichtigsten Mitstreiter in der Verbreitung der Slangsta-Bewegung fand MOZ in dem Wiener Trio Die Vamummtn. Und das obwohl sich Die Vamummtn nur gegründet hatten, um eine andere Salzburger Rapcrew, die SBG Hot Boys, in ihre Schranken zu weisen. Aber wer sollte ihnen das verübeln, wenn die selbsternannten Hot Boys solche Zeilen über ihre Stadt Salzburg rappen:
„SBG ist in der Hand von Kriminalität und Gewalt.
Jeden Tag werden Leute ausgeraubt und überfallen.
SBG steht für Rap, an jeder Ecke wird gecheckt.
Kleine Kids spielen auf der Straße… mit Dreck.“
Die Vamummtn und die SBG Hot Boys lieferten sich ein Youtube-Duell,
das aber nach drei gegenseitigen „Disstracks“ (also Songs, in dem die
andere Gruppe schlecht gemacht wird) eindeutig zugunsten der Vamummtn
entschieden war.
Die erste offizielle Single der Vamummtn kann heute
ebenfalls zu einem Klassiker österreichischer HipHop-Musik gezählt
werden. Mit der „Krocha Hymne“ (2008) setzten sie der gleichnamigen,
äußerst kurzlebigen Jugendsubkultur ein humorvolles Denkmal. „Bam, oida,
fix oida!“
Das ehemalige Spaßprojekt hat sich mittlerweile zu einem der erfolgreichsten heimischen HipHop-Acts gemausert, der es mit Liedern wie „Das Festl gestan“ oder „Ana geht no (Voifett)“ sogar bis in die hinterste Dorfdisco geschafft hat. Ob das ein Qualitätsmerkmal ist, sei dahin gestellt.
Gibt es bei den Wiener Philharmonikern so viel mehr Frauen?!
HipHop in Österreich ist wie überall sonst auf der Welt ein von Männern dominiertes Musikgenre. Vor allem Vertreter des Gangsta-Rap müssen sich oft gegen – meiner Meinung nach zu Recht gestellte – Vorwürfe der Homophobie aber auch der Misogyny wehren. Vielleicht ist das oft sehr frauenfeindliche Bild dieser Rapper einer der Gründe, dass es so wenige weibliche HipHop-Akteurinnen gibt. Eine der wichtigsten Rapperinnen Österreichs ist Mieze Medusa. Sie verweist bei der Frage nach dem geringen Frauenanteil im HipHop auf die Wiener Philharmoniker, die erst seit 1997 überhaupt Frauen aufnehmen. Auch heute liegt der Anteil weiblicher Mitglieder der Philharmonie bei nur 6 %. – Im Vergleich dazu hat die New York Philharmonic einen Anteil von 36%.
Als möglichen Grund für die geringe Zahl weiblicher HipHop-Musikerinnen führt Mieze Medusa den starken Wettbewerbs-Gedanken innerhalb der HipHop-Kultur an. Es geht als Rapper daher auch immer wieder darum, sich selber größer und besser darzustellen als es vielleicht der Fall ist.
„Es ist natürlich so, dass genau dieses ‚nicht understatement performen‘, das HipHop ein wenig fordert, einem ‚braven Mädchen‘ nicht in die Erziehung gelegt wird – bei mir war es zumindest definitiv nicht so.“ (Doris Mitterbacher alias Mieze Medusa im Interview 2013)
Nichtsdestotrotz behaupten sich auch einige Frauen in der österreichischen HipHop-Szene. Die eben zitierte Mieze Medusa fand 2003 im Produzenten Tenderboy ihren perfekten Gegenpart und so veröffentlichten die beiden gemeinsam mit „Basslast Alltag Meets The Unfunk Side Of HipHop – EP“ (2004), „Antarktis“ (2006) und Tauwetter (2009) bereits drei Longplayer und arbeiten gerade an ihrem vierten Werk.
Wie Mieze Medusa stammt auch Yasmin Hafedh alias Yasmo aus der Poetry Slam-Szene. 2011 veröffentlichte sie ihr äußerst sympathisches und gelungenes Debütalbum „Keep it realistisch“. Unter ihrem zweiten Alter Ego Miss Lead – als der sie nur auf Englisch rappt – veröffentlichte sie überdies 2013 die EP „It’s Tea Time“, die sie über Bandcamp gratis zur Verfügung stellt.
Hinter dem Akronym MTS verstecken sich die vier selbsternannten MultiTasking Sisters Mag-D, Miss Def, Nora MC und Oh'laek. Als erste weibliche HipHop-Crew Österreichs (samt ihres männlichen DJs Amin M) sorgen sie seit 2008 für Aufsehen. Mit ihren beiden Alben „Multitask“ (2009) und „Whan’n’Sinn“ (2012) machten sie sich auch über die HipHop-Szene einen Namen und bewiesen, dass Rap keine reine Männerdomäne ist.
Die Emanzipation der Produzenten
Aber nicht nur RapperInnen machten in den letzten Jahren von sich hören. Gerade seit der Jahrtausendwende ist eine Tendenz der „Emanzipation der Produzenten“ von den Rappern zu erkennen. Immer öfter werden Alben veröffentlicht, die nur aus HipHop-Beats (ohne Rapparts) bestehen. Einer der derzeit erfolgreichsten heimischen Beatschmiede ist der Kaisermühlner Branko Jordanovic alias Brenk Sinatra. In der österreichischen HipHop-Szene ist er schon seit mehr als einem Jahrzehnt eine Fixgröße, da er unter anderem viele Instrumentale für Kamp oder dem Wiener Rapper MAdoppelT gezimmert hat. Spätestens seit seinen beiden Instrumental-Alben „Gumbo“ (2008) und „Gumbo 2: Pretty Ugly“ (2011), die er mit Hilfe des Supercity-Labels veröffentlichte, ist klar, dass seine Beats auch ohne Rapper überzeugen.
2013 gelang Brenk dann auch endgültig der Sprung über den großen Teich in das „Mutterland“ des HipHop, den USA. Die Westcoast Undergroundlegend MC Eiht und der vielleicht wichtigste Produzent der 90er Jahre DJ Premier wurden als Erste auf das österreichische Beattalent aufmerksam. Derzeit geht es Schlag auf Schlag und Brenk Sinatra kommt seinem Ziel immer näher, sich auch in der amerikanischen HipHop-Szene einen Namen zu machen.
Aber auch neben Brenk gibt es eine ganze Reihe von ausgezeichneten HipHop-Produzenten in Österreich. Diese vereint derzeit vor allem das Wiener Label Duzz Down San unter seiner Flagge. Nennenswerte Beispiele wären etwa das Dusty Crates-Kollektiv, DJ Testa & Chrisfader, Mono:Massive, Mosch, Ja:kova x Nomad, M-Tone oder Feux.
Aber auch unter den Rappern befinden sich einige der wichtigsten Produzenten des Landes. Allen voran steht Flip von Texta, der zu einem guten Teil den österreichischen HipHop-Sound mit definiert hat. Aber auch die Künstler Digga Mindz, Def Ill oder BumBum Kunst sind für ihre Beats mindestens genauso bekannt wie für ihre Raps.
1993 till infinity
Mittlerweile drängt bereits die dritte und vierte österreichische HipHop-Generation in die heimische Szene. Man darf also gespannt sein, was Künstler wie Average, Def Ill , Mirac, Monobrother, Leftboy, T-Ser, Crack Ignaz oder der von deutschen Medien gehypte Gerard erreichen und in Bewegung setzen werden. Klar ist, dass die österreichische HipHop-Landschaft wächst und gedeiht.
Und wie die heimische
HipHop-Szene wächst auch das SRA stetig weiter. Und genauso wie es noch
sehr viel mehr Zeilen benötigen würde, um ein wirklich ausführliches
Bild der Geschichte der heimischen HipHop-Landschaft zu zeichnen, so
kann mit Worten nur annähernd zum Ausdruck gebracht werden, welchen
Stellenwert die im Archiv versammelten Platten, CDs und
Zeitschriftenartikel für die österreichische Popmusik haben.
Für mich persönlich war und ist die Sammlung von unschätzbarem Wert, ohne welcher ich etwa meine Diplomarbeit nicht in der Form hätte schreiben können, wie ich es Dank des SRA im Stande war. Für jeden Musikliebhaber heimischer Musik bietet das Archiv Kostbarkeiten, die ansonsten in Wohnzimmern verstauben und/oder aus dem allgemeinen Gedächtnis verschwinden würden.
Dies trifft auch auf das immer noch junge Genre HipHop in Österreich zu, das gemeinsam mit der dienstältesten Gruppe Texta und dem Skug Research Archiv heuer seinen 20er feiern darf. Wer jetzt Lust bekommen hat, sich einige der genannten Gruppen oder Alben zu Gemüte zu führen, ist herzlich eingeladen im SRA auf einen Kaffee vorbeizukommen und in dieser Schatzkammer österreichischer Popmusik zu wühlen!
Wer jetzt auf den Geschmack gekommen ist, sich mehr mit HipHop aus Österreich zu beschäftigen, findet ausführliche Informationen beim einzigen österreichischen HipHop-Magazin "The Message" unter www.themessage.at oder jeden Donnerstag zwischen 22 und 0 Uhr bei Tribe Vibes and Dope Beats auf FM4! Dank für ihre Vorarbeit zu meinem Text gilt vor allem den Redakteuren des Magazins - im speziellen Stefan Anwander und Jan Braula, die derzeit an einer ausführlichen Videodoku zur Geschichte des österreichsichen HipHop arbeiten (mehr dazu hier: http://themessage.at/?p=16964) - und Stefan Trischler alias Trishes, der für unsre Freunde von Mica ebenfalls einen schönen Text zur österreichischen HipHop-Geschichte abgeliefert hat: HipHop in Österreich
Auf die nächsten 20 erfolgreichen Jahre und eine florierende heimische Popmusiklandschaft!