MARCUS' TOP-20

Marcus' Liste mit den persönlichen Favoriten der letzten 20 Jahre


MARCUS'  TOP 20

Alles sehr gefühlsmäßig, alles sehr subjektiv. Und manchmal aufgrund der Jahreszahl-Restriktion mangels Alternativen.


1993 - Schönheitsfehler - Ichdran

1993 war der österreichische HipHop ein Küken mit noch sehr verklebten Flügeln. Der erste Sampler mit österreichischen HipHop-Acts "Austrian Flavours Vol.1" war gerade erschienen und es kam zur Gründung einiger wichtiger Gruppen (mehr dazu in unserer Geschichte zu 20 Jahre HipHop in Österreich).Vorne mit dabei war der Wiener Schönheitsfehler mit dieser Watschn für Ausländerhass und dessen Anchorman Jörg Haider.


1994 - Patrick Pulsinger - City Lights (Birthpain)
Erschienen auf "Dogmatic Sequences II" ist das Stück ein früher Beweis für Pulsingers Gefühl für Sound. Wichtig und gut.


1995 - Der Scheitel - Da Hoß in mia

Zieharmonika und Slide-Guitar, bösartig schunkelnd, oh Wien.


1996 - T>MA - Mutter der Mann mit dem Koks ist da
Es ist nett zu sehen, dass Falco den richtigen Ort für die 80er-Hedonisten-Geschichte in den ansonsten etwas biedereren 90ern fand: Techno.

Die dunkle Plastik-Seite von Techno, zugegeben, und den Koks-Schmäh hörte man in variierter Form zum mindestens vierten Mal. Aber trotzdem geht sich das alles irgendwie aus.

Weil der Hölzl leiwand war, auch als wandelnde Selbstparodie.


1997 - Sofa Surfers - The Plan

Das erste ganz große Ausrufezeichen einer mittlerweile zur Institution gewordenen Band.


1998 - Aphrodelics - Nothing to lose
Es geht voran: wo den frühen österreichischen HipHop häufig noch der Charme von LoFi-Beats und stolpernden Flows ausmachte, hoben sich bald die Produktions-Standards auf "internationales Niveau" (was auch immer das genau ist).
Diese ziemlich fest anschiebende Nummer der Aphrodelics veranschaulicht das schön.


1999 - Waxolutionists - Nachtschattengewächs (ft. Manuva)
„Impressionistisch“ ist nicht unbedingt ein Adjektiv, das häufig im Zusammenhang mit HipHop angebracht ist. Aber diese Sternstunde der Waxos - Österreichs wohl erfolgreichstem HipHop-Export - ist halt was Besonderes.
Zurückhaltende Beats und feine Klaviersounds ergänzen sich perfekt mit Manuvas Text, einer lyrischen Liebeserklärung an die Nacht.
Der Soundtrack, um um 2 Uhr Früh am Balkon rauchend über die Stadt zu blicken und Gedanken schweifen zu lassen.


2000 - Valina - Comet Buster

Linzer Gitarrenlärm. Ziemlich wild, ziemlich gut.


2001 - Monomania - MickiMaus
Ein Song geboren in den Wirren der Donnerstagsdemos gegen die sogenannte Wenderegierung. Ironisch liebevoll, pervers, böse. Ein schönes Stück Politpop, das im feschen Dubgwandl nochmal subversiver daherkommt.


2002 - Attwenger - Kaklakariada

Eine direkte Reaktion auf die Angelobung der sogenannten Wenderegierung, über die politisch-gesellschaftlichen Implikationen aber hier mehr: http://fm4.orf.at/stories/1634932/.

Für einen einigermaßen angepissten 14-Jährigen war dieser sonische Mittelfinger aber auf alle Idioten um einen herum beziehbar, nicht nur die in der Politik. Binder schimpft wie ein Rohrspatz im tiefsten Oberösterreichisch, Falkners Quetschn röhrt und kreischt, dass es eine Freude ist. Übernummer.


2003 - Naked Lunch - God

Der Vorbote zur großartigen "Songs for the Exhausted"-LP. Der einleitende Gitarrenkrach scheint aus einem anderen Klanguniversum zu kommen, und mit dem Buben, der sich da in der ersten Strophe zu ernst nimmt und Gott erschießen will, konnte man sich als ausbruchswilliges Katholikenkind sehr gut identifizieren.


2004 - Sir Tralala - The Mercy Seat
Der Sir schafft es immer wieder mir unter die Haut zu kriechen. Wenn er Nick Cave covert umso mehr.


2005 - Gustav - Genua
Wer 2001 nach Genua fuhr, um gegen den G8-Gipfel zu demonstrieren, hatte gute Chancen von der Polizei mit Tränengas attackiert, verschleppt und gefoltert zu werden. Ein Protestant wurde erschossen.
Ich kenne Leute, die mit einem handfesten Trauma zurück gekommen sind. So macht es Sinn, dass Eva Jantschitsch' Aufarbeitung wie ein elegisches Trauerlied daherkommt, freilich ohne jeglichem Anflug von Resignation.
Our revolution, Carlo, has just begun.


2006 - Ja, Panik - Zwischen 2 und 4

Die frühen Ja, Panik mochten den Rausch genau so wie die späteren, waren dabei aber irgendwie direkter und rotziger und verzichteten auf Wehleid und lyrische Manierismen.
Nächtens gehört die Stadt uns. Stenzel hab mich gern.


2007 - Texta ft. Attwenger - (So schnö kaust gor net) Schaun!

Wengam Groove warads.


2008 - Soap&Skin - The Sun
War das Erste, was ich von Anja Plaschg gehört habe, und irgendwie immer noch mein Lieblingslied von ihr. So ruhig und doch so schmerzend.


2009 - Der Nino aus Wien - Du Oasch
Muss sein. Der Nino zeichnet mit seiner nur scheinbar patscherten Sprachkomik ein Beziehungsdreieck zwischen Lachen, Weinen und chinesischem Restaurant.


2009 - Kreisky - Dow Jones
Irgendwie habe ich vielfach Listenwürdiges aus 2009 gefunden und kaum was aus 2010, was wohl eher an meiner damaligen Aufmerksamkeit liegt als an der Qualität der Veröffentlichungen. Jedenfall tu ich jetzt mal so, als ob Kreiskys "Meine Schuld, meine Schuld, meine große Schuld" ein Jahr später rausgekommen ist, weil die muss ebenso vertreten sein wie der Nino.
Wohl die coolste Musikwerdung des klischeehaften aber definitiv existenten wiener Grants, hier auch mit vollkommen berechtigten Hassobjekten (unerträgliche Fortgehsituationen und die Wall Street).


2011 - Sweet Sweet Moon - Smoke Up
Sweet Sweet Moon, das österrichische Final Fantasy? Vielleicht, jedenfalls holt Matthias Frey - der Mann hinter dem Synonym - aus seiner Fiedel Breitwandpoparrangements heraus und kombiniert diese mit ausdrucksstarkem Gesang.
Wem das gefällt sei auch die Doku "Fuck the Atlantic Ocean" ans Herz gelegt, eine wunderschöne Geschichte aus dem digitalen Zeitalter.


2012 - Mile Me Deaf - Troubles Caught
Die "Eat Skull"-LP von Wolfgang Möstls Quasi-Solo-Projekt Mile Me Deaf ist vielleicht meine allerliebste Platte aus Österreich überhaupt. Eine herrliche Kollision von Melodie und Lärm, ein Zuckerschock, ein Rausch ohne Kater.


2013 - Gin Ga - Golden Boy
Gitarren-Indie-Pop, echt jetzt? So 2005... Schnautze! Ungenierte Pop-Sentimente, ungehemmte Euphorie, schöner schöner Song... Vielleicht doch noch mal betrunken ins B72, solang's noch geht?