Kreisky
Kreisky schuldig ?
„Wir waren noch nicht fertig“ sagen Franz Adrian Wenzl (Stimme/Texte, Orgel) und Schlagzeuger Klaus Mitter über das Songwriting ihrer Band Kreisky. Meint, dass es mit ihrem grundsätzlichen instrumentalen und textlichen Vokabular noch mehr als genug zu sagen gibt. „Meine Schuld, meine Schuld, meine große
Schuld“ tut genau das. Und wie!
Erstaunlich, wie viel Kreisky aus ihrem klassischen Band-Set Up herausholen. Schlagzeug, Bass (Gregor Tischberger), Gitarre (Martin Max Offenhuber), Orgel und Stimme. Mehr braucht es nicht, um diesen zuckenden Monster-Sound anzurühren. Bei dem, wenn das geht, jetzt die Lyrics und die Musik, die Ideen und deren Ausführung noch enger zusammengerückt sind. Aufgenommen mit Herwig Zamernik (Naked Lunch, Fuzzman) in dessen Fuzzroom in Klagenfurt ist eine der großen Stärken des zweiten Albums der Band Kreisky der Klang. Wobei der wiederum nicht allein der Wahl des Studios zuzuschreiben ist, sondern auch der konsequenten Arbeit dieses Vierers, der viel live gespielt hat und seinen grundsätzlichen Ansatz dabei tätig immer weiter ausformulierte. Kreisky bauen sich auf aus Punk-Traditionen, No Wave- und Post-Hardcore-Splittern, naschen aus dem Fundus der radikaleren musikalischen Ideen der letzen zwei, drei Jahrzehnte und machen damit was sie
wollen. Der ultimative Feel-Nicht-Good-Sound. „Falco auf Speed“? Jesus Lizard? Fugazi? Die Goldenen Zitronen? Die Band, die heißt wie ein erschossener österreichischer Thronfolger? Alles richtig, alles falsch.Mach dem Kopf wohlig weh und der Arsch wird folgen.
„Sehr gut, diese Sonne, alles warm, alles warm/ja, sie ist warm, aber nicht für uns. Wir hören die Motoren, wir hören die Motoren/da sind Flugzeuge im Sturm“
So eröffnen Kreisky ihre zweite Lied-Sammlung. „Die Motoren“ heißt das Stück und es fährt die formellen und inhaltlichen Levels gleich in die Höhe. Wo sie dann auch bleiben. Die querulante Chronik einer gestörten Welt, deren Verrutschtheiten reichlich Stoff zur künstlerischen Aufarbeitung bergen. In 10 Liedern. Franz Adrian Wenzl lässt mit seinen Texten und seiner Stimme Menschen und Befindlichkeiten lebendig werden, die gar nicht anders können als in einer gestörten Welt gestört zu agieren. Deren eben nicht mehr versteckte, unterdrückte Gedanken in mitunter ganz schön dunkle Höhlen führen („Die dummen Schweine“, „So schöne Zähne“), in sinistre Ausprägungen von Sozial-Phobien. Wo nicht selten die im Pop sonst so gerne besungene und geforderte „Party“ das Tor zur Vorhölle ist. „Was ist denn das für eine Party/was hat denn das für einen Sinn/geladene Gäste, geladene Gewehre/und bitte, weswegen knurrt der Hund?“ („Geladene Gewehre“).
Mit klarem Blick gelingt Kreisky das Kunststück als „Pop“ zu funktionieren ohne große positive Identifikations-Flächen zu liefern. In einem weitergetriebenen psychologischen Beim-In-der-Nase-Bohrenerwischt-werden-Sinn. Wir Gestörten fühlen uns nicht mehr ganz so allein. „Dow Jones“ hat den zwingendsten und besten, den „wahrsten“ Refrain seit langer Zeit: „Und wann sind wir endlich daheim? Wir sind nie daheim/Wann kommen wir endlich heim? Wir kommen nie heim“.
Kreisky brillieren unter anderem in der Gattung des Eben-Nicht-Liebeslieds. Weil in einer gestörten Welt naturgemäß die Beziehungen der Menschen zueinander ebenfalls beeinträchtigt sind. „Ich habe oft gesagt, ich mag dich so wie du bist/aber du musstest dich ja verändern/von mir aus hättest du dich nicht verändern
müssen/verbessert hat du dich dadurch nämlich nicht“ heißt es in „Asthma“. Ein in seiner herzhaften Bösartigkeit und musikalischen Prägnanz besonders zwingendes Stück, das sich als erste Single geradezu aufdrängt.
„Meine Schuld, meine Schuld, meine große Schuld“ hat noch Vieles zu bieten, wenn sich nach den, nun, sechs „Rockern“ (in a Kreisky-Style) mit „Feinde“ ein etwas anderes Klangbild entfaltet. Allzu typisch österreichische Verhältnisse werden buchstabiert: „Wir brauchen uns nicht zu verstehen/wir können uns arrangieren/wir brauchen uns nicht zu versöhnen/wir können uns aneinander gewöhnen/wir brauchen uns nicht zu mögen/wir können uns ignorieren/wir brauchen nicht Freunde werden/bleiben wir Feinde.“
Dazu spielt die Band zum ewigen Engtanz am Tor zur schon erwähnten Vorhölle auf, mehr als gemeinsames Torkeln mit Aneinanderstoßen wird sich aber nie ausgehen.
„Glitzer“ treibt die musikalische Drift des Albums weiter, liefert nicht nur die längst überfällige Antithese zu „Strada Del Sole“ sondern bringt zusätzlich noch den titel-gebenden Satz in einem 6-Minuten-Urlaub-unddie- Folgen-Drama unter. „Auf Ledersitze weint man nicht“ zeigt Kreiskys Meisterschaft in Charakterstudien
von Charakteren, die man eher nicht kennenlernen möchte, bevor sie mit „Die Menschen sind schlecht“ ein erstaunliches Lied ans Ende eines erstaunlichen Albums stellen. Franz Wenzls Orgel zieht uns hinein in einen textlichen Malstrom, der bezüglich der dystopischen Haltung Kreiskys noch einmal entschieden in die Vollen geht. Zu einer intensiven, an- und abschwellenden Musik,
einem hypnotischen, abstrakten Kreisky-Talking-Blues. „Die Häuser hier sind noch von vor dem Krieg/und der ganze Dreck ist noch viel älter/die wenigen Sterne sind auch schon ziemlich staubig/und den Mond kannst du vergessen“. Und dann schließt sich tatsächlich noch ein Kreis: „Vor Jahren ist hier ein Flugzeug abgestürzt/sein Treibstoff war noch lange im Boden/aber den Piloten traf keine Schuld/und die Leute hier waschen sich selten.“
Ein konsequentes Meisterwerk.
Rainer Krispel, Februar 2009
VÖ: 27.03.2009
Label: Wohnzimmer Records
Vertrieb: Hoanzl
Text: http://www.kreisky.net / Rainer Krispel
Fotos: Ingo Pertramer
Albumcover: Klaus Mitter & Ingo Pertramer
Die aktuellen Daten zu Kreisky werden ab dem nächsten HP - Update bereitstehen.