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Diese vier Buchstaben stehen für Anti-Counterfeiting Trade Agreement und sorgen zur Zeit (damals) für viel Bewegung. Sie polarisieren und irritieren.

Geht es wirklich um die Rechte der KünstlerInnen, oder ist es ein Lobbygesetz der Verwertungsgesellschaften?

Wer sich eine Meinung bilden oder sich austauschen möchte: hier ein paar nützliche Informationen und Links. (Kunst hat Recht, Acta, Sopa, etc.)

Unter Ausschluss der Öffentlichkeit wurde dieses multilaterale Abkommen formuliert (nicht einmal die dafür zuständige World Intellectual Property Organization, WIPO, wurde eingebunden) und unter Ausschluss der Öffentlichkeit vom EU-Rat unterzeichnet (aber noch nicht ratifiziert). Durch Leaks wurde beides bekannt.

Europaweit kam es zu einer Protestwelle, weshalb sich der EU-Rat nun hütet, das Abkommen voreilig zu ratifizieren. Ein breiter Diskurs wird nun auf allen Ebenen geführt, in der Hoffnung, noch demokratisch Einfluss zu nehmen u.A. auf das Schicksal des Internet. Allerdings macht der enge Schulterschluss von Pharmalobbys, (v.A. US-Amerikanischen) Agrarlobbys (Genmanipulation ist geistiges Eigentum) und Medienverwertungsgesellschaften, alle mit guten Kontakten zur ("dollardemokratischen") World Trade Organization (WTO), dies sehr unwahrscheinlich...

Detail am Rande:
Das Abkommen wurde von Österreich bereits unterzeichnet. Lediglich Tschechien, Deutschland und Estland hören aud die Kritiker und überdenken noch.

Rechtliche Implikationen für Kreative:
Auf den ersten Blick profitieren Kreative davon. Der Profit (sowie Schadenersatz) jedoch bleibt bei den Verwertungsgesellschaften und es liegt in deren Ermessen, ob überhaupt etwas und wieviel davon den Kreativen zusteht. Weiters wird Innovation erschwert (dazu später noch mehr).  

Rechtliche Implikationen für Konsumenten:
Zwar heißt es, Konsumenten sollen nicht kriminalisiert werden, jedoch rein formal macht sich Jeder der Beihilfe zur Piraterie schuldig. Diesbezüglich bleibt ab zu warten, ob es wieder zu Schauprozessen wie in den 00er Jahren kommt. Internetdienstanbieter stehen jedenfalls vor der Wahl, sich entweder selbst strafbar zu machen für Vergehen ihrer User, oder diese zu überwachen und gegebenenfalls zu sperren.  


Links:
  • Kunst hat Recht: Die von den Österreichischen Verwertungsgesellschaften ins Leben gerufene Initiative Kunst hat Recht fordert einen gesetzlichen Rahmen, der die Postition der KünstlerInnen stärkt und monetäre Vergütung sichert. Ihre genaue Position ist unklar, die Forderungen, abgesehen von der Festplattenabgabe, wenig konkret. Sie erwähnt ACTA nicht. Implizit kann man in den Forderungen den Wunsch nach einer Alternative zu ACTA herauslesen.
  • Anders sieht das der Kulturrat Österreich, der implizit kritisiert, dass die Initiative Kunst hat Recht in ihren Presseaussendungen eine Pro-ACTA Position einnehme. Zwar hätten beide ein gemeinsames Ziel, nämlich die Verbesserung der ökonomischen Lage der KünstlerInnen und Kulturschaffenden, jedoch distanziert sich der Kulturrat von der Forderung nach Vorratsdatenspeicherung.

Der Kulturrat besteht aus verschiedensten Interessensvertretungen und führt nicht nur intern eine lebhafte Debatte, sondern bietet auch an, selbst gestalterisch aktiv zu werden und die eigene Position einfließen zu lassen, etwa bei folgenden Diskussionen:

In die selbe Kerbe wie ACTA schlagen (das bereits gekippte) SOPA und die IPRED bzw. IPRED2 Richtlinien.


Meine persönliche Meinung (S.P) zu ACTA sieht so aus:


Als Kulturschaffender habe ich Angst, dass jemand der besser in der Verwertung ist als ich, könne ohne mein Wissen Profit aus meinen Leistungen ziehen. Dennoch bin ich strikt gegen ACTA.

Ein kleiner philosophischer Exkurs:
Alte fernöstliche Philosophie kennt keinen Zustand sondern nur Wandel, und grundsätzlich kann es nichts Neues geben ohne Verbindung zum alten. Wäre etwas gänzlich neu, könnte es Niemand verstehen...

"It's not where you take things from - it's where you take them to" sagte einst Jean-Luc Godard.

Ich wurde hineingeboren in eine Welt des Samplings und der Remixes, und ich persönlich liebe dieses Gefühl, zuerst die (musikalische) Hommage zu kennen, und danach das Original mit einem Aha-Erlebnis zu erfahren. Wird einem Track ein Sample aus einem Film beigemengt ist das rechtlich gesehen Diebstahl. Ich betrachte das als Hommage an den jeweiligen Film und als Aufladung dessen Kult-Aura. Da es sich um eine völlig andere Produktkategorie handelt, bin ich für eine differenzierte Betrachtung und völlige Entkriminalisierung.

Doch selbst innerhalb der gleichen Kategorie ist Sampling gängige Praxis: Hiphop basierte auf Cuts von Loops und Samples, vor allem aus dem Funk Bereich. Das Genre Jungle basiert sogar fast gänzlich auf einem 6-Sekunden Schlagzeugsolo in dem Song "Amen My Brother" von The Winstons. In den bald zwanzig Jahren Jungle-Geschichte wurden daraus weit mehr Produktionen erzeugt als im gesamten weltweiten Popmarkt im selbigen Zeitraum! Man kann argumentieren, das dieser Schlagzeuger davon nicht profitiert hat. Dem möchte ich begegnen mit einer Metapher: Der Hersteller von Ölfarben profitiert beim Verkauf von Farbe, nicht beim Verkauf eines Gemäldes.

Besonders seit Aufkommen des Internets kam es zu einer explosionsartigen Anhäufung von Ideen und deren Verbreitung. Es dauerte nur wenige Jahre bis ein Zustand der Sättigung erreicht wurde. Heute noch unbesetzte Nischen zu finden grenzt an Unmöglichkeit, sodass Rekombinationen heutzutage der kräftigste Motor der Weiterentwicklung sind. ACTA würde diesem Motor Sand ins Getriebe streuen.

Zur Rechtslage liegt die Lösung meiner Meinung nach in der Wahrung einer Grauzone. Beispielsweise könnte man alles entkriminalisieren was sich in einer kumulierten Gewinnspanne bewegt, die unterhalb der Armutsgrenze liegt. Damit wäre gewährleistet, dass durch ACTA keine Einzelschicksale zerstört werden, sondern nur gewerbliche Produktpiraterie. Leider kann ich mir momentan nicht leisten, Gesetze zu kaufen... (Sebastian Parzer)


(repost von 17-02-2012; edit wr)