Der Timetable aller Tage und Bühnen im Überblick + Robert Rotifers Bemerkungen zum Programm
POPFEST 2011 - Das Programm |
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Der Timetable aller Tage und Bühnen im Überblick + Robert Rotifers Bemerkungen zum Programm Donnerstag, 5. Mai
Freitag, 6. Mai
Samstag, 7. Mai
Sonntag, 8. Mai
POPFEST 2011 – BEMERKUNGEN ZUM PROGRAMM von Robert Rotifer, 14. April 2011
Ich hatte letztes Jahr den Mund ziemlich voll genommen, als es darum ging, das erste Wiener Popfest anzupreisen. Ich hatte behauptet, es gäbe derart viele interessante Bands oder sonstwie Musikmachende in dieser Stadt, dass man nächste Woche gleich noch ein Popfest der gleichen Qualität veranstalten könnte, ohne einen einzigen Programmpunkt zu wiederholen.
Beim Zusammenstellen dieser zweiten Auflage wollte ich mich selbst beim Wort nehmen. Nicht mit dogmatischer Strenge – ein paar Leute tauchen heuer in anderen musikalischen Rollen oder auf anderen Bühnen wieder auf – aber sehr wohl im Bewusstsein, dass in jeder Wiederholung die Gefahr der Institutionalisierung lauert. Auch dieses Jahr will das Popfest nicht etwa eine Auslese der „besten“ oder populärsten Popmusik der Stadt darstellen, sondern eine Sammlung vertonter Visionen davon, wie eine solche in einer besseren Welt klingen könnte. Eine Utopie also – entsprechend dem Geist aller gelungenen Popmusik.
Im Konzept der Programmierung hat sich seit letztem Jahr einiges geändert: Ich musste mich bald damit abfinden, dass sich die letztes Jahr so erfolgreiche Idee der Label-Showcases heuer nicht mehr durchziehen lässt, ohne dadurch den Blickwinkel einzuengen. Zu viele Bands haben auf das Schrumpfen des Tonträgermarkts reagiert, indem sie ihre Songs entweder überhaupt nur mehr online oder als hausgemachtes Vinyl selbsttätig veröffentlichen – der logische nächste Schritt nach der Flucht vor den Majors: vom Minilabel zum Eigenverlag unter Verwendung kollektiver Promotions-strukturen. Der auf der Hand liegende alternative Ansatz zur Gestaltung der Spätschienen waren musikalisch bzw. ästhetisch definierte Themen, zwar locker genug definiert, um innerhalb der vier Tage Popfest keine Spaltung in isolierte Kleingemeinden zu betrei-ben, aber doch auch schlüssig genug, um ein paar auffällige rote Fäden im anhal-tenden Wuchern der Wiener Popmusik aufzugreifen.
Kurzer Einwurf von wegen „Wiener Popmusik“: Schon das erste Popfest schaute den MusikerInnen nicht auf den Meldezettel. Beim zweiten sind noch mehr KünstlerInnen aus anderen (Bundes)Ländern mit dabei, manche von ihnen leben in Wien, andere halten sich nur gelegentlich da auf. Alle spielen mit ihrer Musik in Wien eine über Tournee-Termine hinausgehende Rolle.
Um aber auf die roten Fäden zurückzukommen: Was Gustav und Skero am Eröffnungsabend eint, ist neben ihrer absoluten künstlerischen Selbstbestimmtheit vermutlich auch die erhöhte Wichtigkeit des Worts in ihrem Werk. Das darauf folgende Nachtprogramm im brut dagegen handelt von Glamour und/oder Verfremdung und dem Schnittpunkt zwischen Pop- und Kunstszene (broken.heart.collector, Crazy Bitch In A Cave, Cherry Sunkist). Zeitgleich gibt es im Wien Museum Platz für die an den anderen Locations schwerer vermittelbare akustische Variante (Mika Vember auf dem Balkon, und dann im Museum Meaghan Burke, Dust Covered Carpet, Marilies Jagsch). Die bunteste Mischung bietet der Seebühnen-Freitag (Trouble Over Tokyo, Violetta Parisini featuring Coshiva, Café Olga Sanchez), die Partynacht gehört dagegen diesmal dem Hip Hop - abgesehen vom Übergang in die Nacht via Bo Candy & His Broken Hearts, deren Bandleader Thomas Pronai völlig zurecht vermerkt: „Immerhin haben wir mit den Hip Hoppern gemeinsam, dass wir auf die gleiche schwarze Musik zurückgreifen“. Nun steht der Hip Hop ja für eine Kultur, in der ohne gründlich erworbene Credibility nichts zu holen ist – daher auch unsere Einladung an den diesbezüglich bestens geeigneten Skero, ein Line-Up mit seinen persönlichen Favoriten für die Freitag-Nachtschiene aufzustellen (Kayo, Kamp, MA21). Der Samstag widmet sich dagegen fast gänzlich der unübersehbaren Blüte ordentlich guter Gitarrenbands (vertreten durch Ja, Panik, Black Shampoo, Francis Inter-national Airport), inklusive eines kleinen Garage-Punk/Noise Pop-Schwerpunkts in der Spätschiene (Beat Beat, Happy Kids, Sex Jams; Ausnahme, aber auch schön laut: Die Mäuse).
Am Sonntag regt sich die Seebühne schon um 14 Uhr mit einem im wörtlichen Sinne einmaligen Konzert („Legenden Brunch“), das in der schieren Unwahrscheinlichkeit seines Zustandekommens sozusagen die ultimative Utopie der Parallelweltentheorie, nämlich deren Zusammenführung erfüllt. Einfacher ausgedrückt: Sigi Maron auf einer Bühne mit Maria Bill auf einer Bühne mit dem Nino aus Wien auf einer Bühne mit Peter Henisch auf einer Bühne mit Robert Räudig auf einer Bühne Willi Resetarits auf einer auf einer Bühne mit Ernst Molden. Zugegeben, letzteres soll zumindest schon vorgekommen sein. Genauso wie ein Popfest-Auftritt von Tanz Baby!, letztes Jahr auf der Seebühne, heuer dagegen aber als Popfest-Beitrag zum Muttertag im an diesem Tage bei freiem Eintritt zugänglichen Wien Museum. Wer sich an das letztes Jahr von Theyshootmusic im Wien Museum aufgenommene Video erinnert, wird verstehen, dass Tanz Baby! innen eine ganz andere Magie verspricht als Tanz Baby! außen. Die Seebühne antwortet mit nie weniger als atmosphärischen, oft schlicht ergreifenden Songs des Son of the Velvet Rat, gefolgt von den Popfest-Talismanen Ginga, die letztes Jahre als unbekannte Größe auf die Bühne des Prechtlsaal stiegen und eine knappe Stunde später als die große Entdeckung wieder abgingen. Allen Ambitionen zur Vermeidung von Wiederholungen zum Trotz, steht es einfach an, Ginga vor jenem Publikum zu sehen, das sie sich seither erspielt haben. Danach wird die letzte wohl die eklektischste aller Spätschienen sein, von Luise Pop über Ping Ping bis hin zum letzten Vorhang in Gestalt Wolfgang Schlögls Theatermusik.
Natürlich besteht das Popfest aber nicht nur aus den Gigs in der Nacht: Die Freitag und Samstag am späten Vormittag beginnenden Panel-Diskussionen und Workshops in der Kunsthalle bieten heuer einigen politischen und kritischen Kontext zur Musik – versetzt mit Kurzauftritten von vier der spannendsten Acts im Popfest-Programm, von Filou und M185 über Bensh bis zu Cardiochaos. Den historischen Hintergrund beleuchten wiederum am Samstag im Wien Museum Al Bird Sputniks Trash Rock Archives, samt dem Auftritt von Sweet Sweet Moon als gänzlich unhistorisches Zwischenspiel und Wolfgang Kos' Gespräch mit Sigi Maron, der dabei als Vorschau auf den sonntäglichen Legendenbrunch auch noch ein paar Solosongs darbieten wird.
Ein Wort noch zum innerstädtischen Popfest-Austragungsort Karlsplatz und seinen Schauplätzen: Die Zahl der Locations rund um den Karlsplatz hat sich seit letztem Jahr um einen Standort vermehrt: Zur rasch etablierten Open-Air „Seebühne“, dem Campus der TU mit ihrem Innenhof und dem Prechtlsaal, dem Wien Museum und dem Kunsthallen-project space kommt heuer neu das brut im Künstlerhaus dazu. Dort wird donnerstags der elektrische Teil der Eröffnungsnacht abgehalten, sowie freitags und samstags ein weiterer Popfest- Hafen für alle über den Karlsplatz Treibenden eingerichtet sein. So viel zum eigentlich Interessanten. Aus technischer Sicht sei angemerkt, dass jetzt, wo wir über das erfreuliche und enorme Publikumsinteresse am Popfest wissen, die „Seebühne“ höher und überdacht und die Beschallung passender dimensioniert sein wird als letztes Jahr. Auch der Verköstigungen wird es mehr geben, allerdings nicht so viel mehr, dass das Popfest zu einem weiteren berieselten Freiluftgastronomie- schauplatz mutiert. Im Mittelpunkt steht weiterhin die Musik.
Bleibt nach Monaten des Feilens am Line-Up bloß noch die nüchterne Feststellung, dass es auch nach knapp 40 hervorragenden Acts bei der Popfest-Premiere im letzen Jahr und der annähernd gleichen Menge in diesem Jahr immer noch genug gute Musik in dieser Stadt gibt, um jederzeit ein nächstes Popfest in der gleichen Qualität zu veranstalten... |