Als Katharina Seidler (übrigens Ex-skug-Autorin) Johnny Batard diesen Sommer in der FM4-Sendung »Im Sumpf« vorstellte, war sofort klar, diese Band kickt, die wollen wir von skug live in Wien erleben. Der »Summer Song« ist von behänder Unbeschwertheit und es ist wirklich selten, dass ich dermaßen beeindruckt bin. »What Do You Want Me To Say?« von Johnny Batard verdient das Prädikat Album des Jahres! Anlässlich 30 Jahre skug gönnt sich der Salon skug am 25. Oktober Johnny Batard, der in den Gehirnzellen die Namen bester Whiskeymarken aktiviert. Doch klarerweise handelt es sich um einen Ausflug in den RockʼnʼRoll, Indie-Psychedelia, leicht räudig, doch mit glockenhellem Jingle-Jangle-Glamour. Drei Akkorde für die Ewigkeit. Eine E-Mail-Konversation mit Johann Zuschnegg, Songschreiber von Johnny Batard, soll das Geheimnis der Rezeptur des grandiosen Sounds der Band etwas lüften helfen.
skug: Das Magazin skug feiert sein 30-Jahre-Jubiläum auf der Website zwar auch rückblickend,
doch wollen wir mit unserer Eigenveranstaltung Salon skug in die
Zukunft schauen. Das spannende am Sound von Johnny Batard ist, dass er
einerseits wohlvertraut klingt, andererseits sehr frisch. Schöner die
Gitarren nie klangen! Für mich persönlich ist euer Sound sehr New-York-ish
– von Lou Reed bis Television und The Feelies samt einem Schuss
Psychedelia von Dream Syndicate bis Mazzy Star. Welche Einflüsse hat
Johnny Batard?
Der New-York-Vergleich trifft es wunderbar gut. Velvet
Underground ist natürlich ein großer Einfluss und Lou Reed mein Vorbild
schlechthin, was wahrscheinlich für viele herauszuhören ist. Beim
Debütalbum wollte ich von Anfang an eine
Velvet-Underground-wird-schon-passen-Drei-Akkord-Lo-Fi-ausgewaschene-Jeans-Atmosphäre
kreieren. Ich glaube, das haben wir gut hinbekommen. Wie Lou Reed mal
sagte: »Alles über vier Akkorde ist ein Gitarrensolo«. Nach dem Credo
musiziere ich auch! Eine weitere bestimmende Wirkung nimmt zudem Albert
Hammond Jr. ein, Gitarrist der Strokes, welche ebenfalls einen prägenden
Einfluss auf den New-York-Sound der 2000er-Jahre ausgeübt haben.
Vielleicht kommt von der Seite die Indie-Frische. Hammond Jr. ist nicht
nur mit seinen ebenfalls leicht aufgebauten Songs ein Vorbild, sondern
auch einfach im Hinblick auf seine Attitüde hinsichtlich seines
Sologangs neben der weltbekannten Band. Ein Spruch während eines
Konzertes blieb bei mir hängen: »It took me a long time to realize, but I
am the man!« Und das von einem Mann, der nichts mehr zu beweisen hat.
Nach dem versuche auch ich mein Soloding als Johnny Batard hinsichtlich
Sound und Auftreten herauszupressen. Manchmal gelingt es, viel zu oft
auch nicht.
Vorbilder sind das eine, doch das andere ist,
einen eigenständigen Sound zu destillieren, habt ihr besonders
großartig hingekriegt. Wie macht ihr das eigentlich? Höre ich etwa
»Space and Time« muss ich unweigerlich an Spacemen 3 oder Spiritualized
denken, doch klingt der Song wie Johnny Batard, mit eigenwilliger
Sixties-Referenz, die mich auch noch die Go-Betweens assoziieren lässt.
Bei »Space and Time« wollte ich Psychedelic-Songs kreieren, die
nicht zu typisch Psych-verwoben klingen sollten, sondern eher fun und
luftig durchhallen. Die Sixties-Referenz ist noch nie gefallen,
spannend! Den Go-Betweens-Flair würde ich noch gerne bei Johnny Batard
vertiefen.
Wie war eure Sozialisierung Richtung
Musik. Gab es da einschlägige Radiosendungen oder Plattensammlungen,
die dich und deinen Bruder zur Musik hinführten? Gab es Vorläuferbands
oder ist Johnny Batard bereits eine Band mit längerer Geschichte?
Am Anfang waren Kingsized ’Bastards, ein Indie-Folk-Brit-Pop-
oder Psychedelic-vier-Mann-Erlebnis, welches nun mehr ins
Surf-Psychedelische geht. Seit 2012 waren wir sehr präsent in Graz, die
letzten zwei Jahre etwas stiller, da wir endlich nach zahlreichen
Live-Shows unser Debütalbum vertont haben und im nächsten Jahr mit neuem
Sound präsentieren. Julian, mein Zwillingsbruder, und Danny (Daniel
Moick), der Schlagzeuger von den ’Bastards, sind auch in der
Johnny-Batard-Band übernommen worden. Johnny Batard hat sich 2017
anfänglich als Soloprojekt entwickelt, ich wollte Songs aufnehmen, die
damals nicht zu Kingsized ’Bastards gepasst hätten und in denen ich mich
auch mehr der Gitarre gewidmet habe. Bei den ’Bastards spiele ich
hauptsächlich Bass. Das Gitarrenspielen kam generell erst spät bei mir,
demnach bin ich auch nicht der beste Gitarrenspieler. Anspruchsvolle
Gitarrensolos überlasse ich gerne meinen instrumental talentierteren
Gitarristen in der Band. Ich würde sagen, dass sich der Musikgeschmack
meines Bruders und meiner schon sehr unterscheiden, aber eben auch
wieder nicht. Ich glaube, dass besonders das den frischen Wind in die
Songs bringt. Er hört viel HipHop oder Heavy Rock, ich bin dagegen sehr
auf der Indie-Schiene. Aber vielleicht ist das die passende Mischung.
Ich komme meist mit ein paar Akkorden und einer Melodie und den Rest
machen Julian auf dem Bass oder der Sologitarre und Danny am Schlagzeug.
Ich bin da nicht so bestimmend, da es einfach passt, und die Jungs
fügen sich dazu wunderbar geschmeidig ein. Die beiden waren auch beim
Aufnehmen des Debütalbums in Berlin dabei. Da wir nur eine Woche Zeit
hatten, das Ding in den Kasten zu bekommen, passierte das Ganze als
Live-Recording: Rhythmusgitarre, Bass und Schlagzeug zugleich. Auch
viele Songs ohne Click, was auch zum rohen Live-Charakter der Platte
beigetragen hat.
Das fehlende s in Batard, vielleicht ist das der Schlüssel
zum Bandsound? Trotzdem eure Gitarren so wohlklingend jinglen, ist eine
gewisse Dirtyness, die aufraut, zu spüren. Liege ich damit falsch, mit
meiner Assoziation zum Bandnamen Johnny Bastard?
Batard ist französisch für Bastard. Gabriel von Kingsized
ʼBastards hat mir damals den Namen gegeben, da wir anfangs »Et Moi Et
Moi Et Moi« von Jacques Dutronc gecovert haben. Als ich zu studieren
begonnen habe, war für mich Jacques Dutronc die Verkörperung von
Coolness. Ich wollte so klingen wie er, so aussehen wie er und auch so
ähnlich heißen wie er. Das fehlende s ist wunderbar für das
In-Erinnerung-Bleiben oder dass die Leute ein Gespräch darüber beginnen
wollen. Dessen Abwesenheit hat mir gut gedient in den letzten Jahren!
»Wir sind Kinder«, ist das eine Single und gab es dazu nicht
ein Video? Hat der Text irgendwie mit Fridays for Future zu tun? Dass
Kindern und Jugendlichen von mächtigen
Eliten und ihren konservativen Wählern die Zukunft gestohlen wird? Und
»140 km/h« zieht wohl den politischen Irrsinn eines ehemaligen
FPÖ-Verkehrsministers durch den Kakao?
»Wir sind Kinder« ist frisch bis vorab ohne Verkündung auf
Bandcamp gekommen und am 30. Oktober auf Spotify und Co. zu hören mit
offizieller Bekanntgabe. Es ist nicht wirklich ein neuer Song, quasi die
verdeutschte Variante zur Single »I am just a kid«, welche vor zwei
Jahren mit Video als Single erschien. Da einige Leute nach »140 km/h«
den Wunsch geäußert haben, ich solle öfters in Deutsch singen und »I am
just a kid« sich wunderbar anbot als deutsches Pendant, dachte ich,
wieso eigentlich nicht? Irgendwie hat die deutschsprachige Variante
einen Bowie-trifft-Falco-Charme hervorgetan, zumindest habe ich das
Gefühl. Ganz bin ich in der deutschen Sprache noch nicht angekommen. Auf
dem zweiten Album wird es ein paar Nummern in Deutsch mit englischem
Mix geben, allerdings folgen sie dem wortkargen Charakter von »140 km/h«
– schon mehr als sieben Silben, aber das Repetitive spielt wieder die
Hauptrolle. Den Fridays-for-Future-Gedanken finde ich toll! Könnte auch
gut passen, grundsätzlich geht es ums Erwachsenwerden, oder an dem Punkt
angekommen zu sein, wo man nicht mehr Kind sein kann, oder feststellen
zu müssen, dass die Welt und alles um dich herum versucht, dich zu
ändern …
Nun aber zum Label Post Office
Records – meine Finger tippten vorhin zunächst Postcard, das Glasgower
Label mit Orange Juice, der Assoziationskettenteufel reitet mich. Was
sind die Lieblingspferde im Stall bzw. werde alle gleich gehegt und
gepflegt?
Post Office Records ist ein gemeinsam gegründetes Musik- und
Kunstlabel aus Graz mit Gabriel Schmidt, Raffael Jessner und mir als
Triumvirat, Unterstützung bekommen wir von vielen Freunden und den Bands
von Post Office. Der Name kommt vom gleichnamigen Roman von Charles
Bukowski, zumindest laut Raffael, der hat es ja benannt und gegründet.
Gabriel und ich sind beide mit Kingsized ’Bastards als Musiker im Label
dazu gekommen, Gabriel ist auch Teil der Psych-Band Jigsaw Beggars,
somit sind wir beide Teil von zwei Bands bei Post Office. Grundsätzlich
wollen wir versuchen, Grazer Künstler*innen eine Bühne zu geben und
gehört zu werden. Dazu zählen unsere Langzeit-Grazer-Bands wie Jigsaw
Beggars, Kingsized ’Bastards, Karma Klub, Johnny Batard und seit Beginn
des Jahres Magical Misery Tour. Also ja, es sind schon hauptsächlich
Bands aus einem Freundeskreis, allerdings ist dieser dann mit der Zeit
auch entstanden. Leider sind unsere Ressourcen etwas knapp, so können
wir uns oftmals nur Künstler*innen/Releases widmen, die uns sehr
gefallen, und mit Künstler*innen arbeiten, die uns bereits gut vertraut
sind. Auch haben wir immer wieder Bands nach Graz geholt wie Haley
Heynderickx (US), The Underground Youth (UK), Triptides (US), Molly
(AT), Thirsty Eyes (AT), Culk (AT), Mile Me Def (AT), Aux Portes (AT)
und viele mehr.
Lukas Maiers Album »The Magical Misery Tour« verführt schon
wieder zum Weiterdenken, dass da ein Freundeskreis besteht, der
klarerweise über Syd Barrett Bescheid weiß und vielleicht auch das Werk
des am 31. Mai 2019 in Austin, Texas verstorbenen 13th-Floor-Elevators-Masterminds Roky Erickson schätzt.
Der Freundeskreis ist durchaus da! Lukas Maier (Frontmann von
Karma Klub) hat sein Solodebüt in der Südsteiermark in Gabriel Schmidts
Heimstudio analog auf Tonband aufgenommen. Der
13th-Floor-Elevators-Vergleich zu Lukas trifft es ja wunderbar,
vielleicht sogar mehr zu Karma Klub als bei »The Magical Misery Tour«.
Syd Barret und Roky Erickson sind tragische Figuren, denen zu
viele Pillen die Genialität kosteten. Das wird Johnny Batard
hoffentlich nicht passieren!?
Da das 27. Lebensjahr leider schon überschritten ist, zahlt
sich das wohl nicht mehr aus. Keine Bange, die, die mich kennen,
verlauten zu oft, dass ich ein untypische zahmer Rock’n’Roller wäre.
Raffael von Post Office hat sich angeboten, das Rockstarleben mit allen
seinen Ausschweifungen abseits der Bühne für mich zu übernehmen!
Eure Vorgruppe sind die Lonesome Hot Dudes, sie kommen
ebenfalls aus Graz und spielen No Wave der raueren Sorte. Gibt es
Querverbindungen?
Ich dachte zunächst die Gruppe käme aus Wien, leider gibt es keine Querverbindungen, zumindest noch nicht!
Discografie (alle Post Office Records):
Johnny Batard: »Space and Time« (Single, Juli 2018)
Johnny Batard: »What about Me« (Single, September 2018)
Johnny Batard: »What Do You Want Me To Say?« (Album, April 2020)
Johnny Batard: »Summer Song« (Single, Juli 2020)
Johnny Batard: »Wir sind Kinder« (Single, Oktober 2020)
Links:
https://johnnybatard.bandcamp.com/music
https://www.postofficerecords.com